Konzept des interkulttheaters

Interkulttheater versteht sich als eine Begegnungsstätte verschiedener Kulturen in Wien und von diesem Verständnis ausgehend stellt es sich die Aufgabe, durch seine Arbeit dazu beizutragen, die gegenseitige Akzeptanz in Wien zu maximieren.

Es ist eine gesellschaftspolitisch relevante Institution, die sich einem humanistischen Bildungsideal verpflichtet fühlt und in seinem kulturellen und künstlerischen Werken stets um den Abbau von Vorurteilen bemüht ist.

Sein Ziel ist es, die spezifische kulturelle Identität der in Wien lebenden Volksgruppen wahrzunehmen, deren kulturelles Selbstverständnis zu unterstützen, ihre Muttersprache zu pflegen, da sich das Interkulttheater dessen bewusst ist, dass ein kultureller Identitätsverlust auch der Verlust der pluralistischen Gesellschaft bedeutet.

Ebenso ist es das Ziel des Interkulttheaters, den Austausch zwischen der heimischen österreichischen Kultur und den fremden Kulturen in Wien zu fördern. Dieses Ziel wird von dem Gedanken getragen, dass Kenntnis und Verständnis Angst mindern und damit einen wesentlichen gesellschaftspolitischen Auftrag zu erfüllen helfen.

Von diesen Grundsätzen ausgehend verfolgt das Interkulttheater die Linie der bunten, vielfältigen, verschiedenartigen, mehrsprachigen Kunst- und Kulturangebote wie:

• Tanztheater • Konzerte
• Filmvorführungen • Kabaretts
• Podiumsdiskussionen • Sprechtheater
• Buchpräsentationen • Schattentheater
• Vernissagen • Symposien
• Lesungen • Theaterworkshops

 

GRUNDSÄTZLICHES 

Die Grundausrichtung des Interkulttheaters ist, durch seine Programmgestaltung und seine künstlerischen wie auch kulturellen Angebote zur Wahrung der kulturellen Identität der in Wien lebenden MigrantInnen beizutragen, andererseits ihre Eingliederung in ihre neue kulturelle Realität zu fördern. Gleichermaßen wichtig erachtet das Interkulttheater den Erwerb der interkulturellen Kompetenz der einheimischen Bevölkerung, den es durch die kulturelle und künstlerische Vielfalt seiner Programmgestaltung unterstützt. Dadurch wird in hohem Maß die Toleranz bzw. Akzeptanz der verschiedenen Kulturen untereinander erreicht und auch ihr Austausch gefördert.

Um dieses Ziel zu erreichen, bedient sich das Interkulttheater verschiedener künstlerischer Ausdrucksformen wie Theater, Musik, Tanz, bildende Künste u.a. 

PROGRAMMSTRUKTUREN

 Die Strukturen der programmatischen Zielsetzung des Interkulttheaters sind darauf gerichtet, möglichst viele, wenn nicht alle in Wien vertretenen Kulturen in ihrer vielfältigen Programmgestaltung und in verschiedenen Kunstrichtungen wieder zu finden. Wird heute früh ein Kinderprogramm angeboten, ist am Abend eine indische Tanzvorstellung angesetzt. Werden morgen türkische Lieder angeboten, findet übermorgen eine Theateraufführung in deutscher Sprache statt. Die kulturelle und künstlerische Vielfalt stellen daher die zwei Grundpfeiler des Konzeptes des Interkulttheater . Durch diese Vielfalt und den schnellen Wechsel der Programme wird das Interkulttheater jeden Tag von einem Publikum anderer ethnischer Zugehörigkeit, anderer Kultur, anderen Alters, anderer sozialen Gruppen und anderer ökonomischer Verhältnisse besucht. Die interkulturelle Dynamik, die dabei entsteht, bildet die Grundlinie des Interkulttheater.

Die Vorstellungen laufen höchstens 1 - 2 Mal und darauf ist wieder eine andere Gruppe oder ein anderer Künstler angesetzt. Meistens sind es Musik-, Tanz- und sonstige Aufführungen wie Vernissage, Filme Diskussionen, die so kurz laufen. Die Kabarettprogramme und Sprechtheateraufführungen laufen meistens länger (5 – 6 Mal), da der Produktionsaufwand bei dieser Sparte größer ist. Dabei handelt es sich ausschließlich um Fremdproduktionen, die entweder auf Einnahmenteilung oder Mietverhältnis im Interkulttheater spielen, da wir bis jetzt kein Budget für Eigenproduktionen hatten.

KÜNSTLERISCHE PROGRAMMGESTALTUNG

  PLATZ UND RAUM FÜR VIELFALT

Die Hauptschiene des Interkulttheaters ist, Künstlern, die aus verschiedenen Kulturen kommen und in Wien leben und in verschiedenen Richtungen wie Darstellende Kunst, Musik, Tanz, Film, Bildende Kunst arbeiten, Platz und Raum für ihr Schaffen zu bieten. Begegnungen zwischen fremdsprachigen Künstlern und einheimischem Publikum und umgekehrt sollen ermöglicht werden. Das Interkulttheater versteht sich als eine Schnittstelle, die jungen und nicht etablierten Künstlern und Gruppen in Wien, welcher Herkunft und Sprache auch immer die Möglichkeit bietet, zu produzieren, zu experimentieren und ihnen dabei mit seinen bereits vorhandenen Strukturen wie Raum, Technik, Administration, Öffentlichkeitsarbeit etc. beisteht und sie unterstützt.

ERWACHSENE

Sprechtheater wird zweierlei eingesetzt. Einerseits werden muttersprachliche Gastspiele aus dem Ausland geholt, die aus Kostengründen bzw. aus terminlichen Gründen der Schauspieler nur 2 oder 3 Mal gespielt werden können. Mit Sprechtheater in eigener Muttersprache sprechen wir naturgemäß jeweils nur eine kulturspezifische Gruppe der jeweiligen Sprache an, wie türkische, kroatische, polnische und andere Volksgruppen. Damit schließen wir zwar alle anderen Kulturen aus, aber dafür halten wir die Sparte „Theater in eigener Muttersprache“ für einen Bereich, der für eine gesunde Integration und den Erwerb der neuen Landessprache von immenser Bedeutung ist. Die Aneignung neuer Lebenswelten wie auch die Pflege der Muttersprache und die Stabilisierung der kulturellen Identität halten wir für eine wichtige Voraussetzung für ein tolerantes Zusammenleben in unserer Stadt. Theaterstücke oder Kabaretts in deutscher Sprache hingegen werden von einem sehr breit gefächerten Publikum mit unterschiedlichem kulturellem Background in Anspruch genommen.

Musik ist naturgemäß eine Form, die nicht zuletzt wegen ihrer allgemein verständlichen Sprache einen hohen interkulturellen Ansatz in sich birgt. Bei der Sparte Musik erreichen wir zwei Ziele. Einerseits sprechen wir mit Ethnomusik-Konzerten die Angehörigen der jeweiligen Kultur an, aus der die Musik stammt, andererseits besteht die Hälfte des Publikums bei diesen Konzerten aus Österreichern, die sich für diese Musik interessieren. Demnach genießen Menschen aus verschiedenen Kulturen und verschiedener Herkunft am selben Abend die gleiche Vorstellung, bzw. die gleiche Musik. Gerade hier wird eine sehr hohe Interkulturalität gelebt. Auch andere Musikrichtungen wie Jazz, Ethnojazz, Klassik, Volksmusik aber auch Jiddisch, Jiddisch-Jazz bis Piazzola sind in unserem Programm vertreten.

Filme werden meistens für Kinder und Jugendliche angesetzt. Unser Anspruch dabei ist, mittels des Mediums Film Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, sich mit Problemen wie Gewalt, Fremdenhass, Diskriminierung, Antisemitismus, Apartheid, Drogenmissbrauch u.v.m. auseinanderzusetzen, sich in Gesprächen mit Zeitzeugen oder Fachkräften andere Sichtweisen und Perspektiven anzueignen und sie für ein multikulturelles Leben mit gegenseitiger Toleranz und Akzeptanz zu sensibilisieren.

  Kabaretts und Lesungen bilden auch einen beachtlichen Teil unseres Programms. Die meisten Aufführungen sind in deutscher Sprache. Neben den sozial- und zeitkritischen Inhalten haben sie ihre Wurzeln auch oft in einer fremden Kultur und gewähren dem österreichischen Publikum dadurch Einblicke in eine andere Kultur. Aber auch Poesie in Originalsprache wie auch in deutscher Sprache, meistens mit Musikbegleitung aus der jeweiligen Kultur und auf authentischen Instrumenten, zählen zu den Veranstaltungen, die gerne besucht werden.

Tanz ist eine Kunstrichtung, die wegen bühnentechnischer Unzulänglichkeiten (Höhe, Breite, Tiefe) vor allem im Bereich des klassischen Tanzes nicht oft eingesetzt werden kann.

Tanzaufführungen mit geistig oder körperlich behinderten Gruppen oder Musicals mit Tanzeinlagen wurden vom Publikum mit großer Begeisterung angenommen.

Anderes nennen wir alle Veranstaltungen wie Vernissagen, Aktionen, Diskussionsveranstaltungen, Aufführungen der Musicalschulen, Theatervorstellungen von Jugendgruppen der zweiten Generation, Schattentheater u.ä.

JUGEND

Abgesehen von einem bestimmten Publikumskreis von Jugendlichen, der bereits von Haus aus Interesse fürs Theater mitbringt (weil aus sozial gehobenerem Elternhaus mit höherer Schulbildung und wirtschaftlich gut situiert ...) , gibt es sehr viele Jugendliche, die nicht auf ähnliche Backgrounds zurückschauen können, daher dem Theater fremd sind, mit ihm nichts anfangen können. Sie finden es langweilig, umständlich und nicht besonders unterhaltsam. D.h. zwischen ihnen und Theater ist eine sehr große Hemmschwelle. Dieses Phänomen zeigt sich zwar auch bei inländischen Jugendlichen, kommt aber bei ausländischen Jugendlichen durch eventuelle Sprachbarrieren noch stärker zur Geltung. Daraus folgt, dass die Freizeitgestaltung bei sehr vielen Jugendlichen aus bestimmten sozialen Schichten anders gelagert ist und parallel dazu die Freizeitindustrie, wie es auch aus der Studie der Jugendforschung für BM f. Soziales hervorgeht, einen immer stärkeren Stellenwert bei der Freizeitgestaltung der Jugendlichen einnimmt. Wir möchten diesen Jugendlichen, die normalerweise nicht ins Theater gehen, die Scheu vor einem Theaterbesuch nehmen. Wir sehen wenig Sinn darin, dem bereits vorhandenen Zielpublikum, das gewohnt ist, ins Theater zu gehen und das bereits bestehende Angebote ausnützt, ein weiteres Angebot zu machen. Stattdessen wollen wir ein Publikumspotential, das noch keine Theatersozialisation hat, erschließen.
Wir möchten diesen Jugendlichen eine Alternative bieten, besser gesagt eine Alternative sein : THEATER

Allerdings sollte diese Alternative die beiden wichtigen Aspekte (Erlebnisdimension und Identitäts- und Sinnstiftenden Status) , die die szeneorientierten und jugendkulturellen Angebote bieten, bereits mitbringen.

Wir möchten THEATER für Jugendliche und junge Menschen zwischen 16 und 25 Jahren in jeder Hinsicht attraktiv machen. Wir möchten ihnen die Theaterangst nehmen und ihnen zeigen, dass Theater sehr wohl auch unterhaltsam, erlebnisreich und sinnstiftend sein kann. Wir möchten das Theater entstauben, es von seinem festgefahrenen, uninteressanten, schwierigen, unverständlichen, abschreckenden Bild befreien und ihm ein neues Outfit verpassen.

KINDER

Der Kinderbereich gliedert sich in vier verschiedene Hauptkategorien, wobei sich manche Angebote an Schulklassen und manche an Kinder mit ihren Familien im Freiverkauf richten.

•  Erzähl- (theater)Kunst

MEDDAH ist eine Erzähl- und Nachahmungskunst. Der Vorhang, die Bühne, das Bühnenbild, die Kostüme sind alle in einer Person, nämlich in der des Erzählers (Meddah) vereint. Die Vorstellung beginnt, indem sich der Meddah auf einen Stuhl setzt und anfängt, den Zuschauern Geschichten zu erzählen. Das können Märchen, Sagen oder Legenden sein. Als Requisit benutzt er ein Taschentuch und einen Spazierstock. Damals, als ein großer Teil der Bevölkerung nicht lesen konnte waren Meddahs in den osmanischen Palästen, bei Hochzeitsfeiern oder in den langen Ramadan- nächten sehr beliebt.

MÄRCHEN sind älter als die Literatur. Kein Dichter hat sie erfunden. Erzählungen, Erlebtes, eigene Wunschvorstellungen und Träume aus dem tiefen Unterbewusstsein wurden seit Jahren zusammengetragen, phantasievoll ausgeschmückt und von Mund zu Mund überliefert. So entstanden auf der ganzen Welt verschiedene Märchen, die zu einem Teil der Volkspoesie, oft sogar des nationalen Kulturguts wurden. In seinem Buch „Kinder brauchen Märchen“ vertritt Bruno Bettelheim unter anderem auch die Meinung : „Das Märchen nimmt die existenziellen Ängste sehr ernst und spricht sie unmittelbar aus.“ Märchen helfen dem Kind aber auch bei der Ausbildung seiner Phantasie. Vorleserituale machen die „Märchenstunde“ für alle Beteiligten zu einem besonderen Vergnügen. Wie aus dieser Zusammenfassung hervorgeht, möchten wir in unserem Konzept der großen Bedeutung der Erzählkunst im Kinderbereich Rechnung tragen, indem wir eine kontinuierliche Erzählschiene installieren. Wichtig ist uns dabei, dass diese Erzählstunden ein gewisses Ritual haben. So sitzt der Erzähler auf einem überdimensionalen, knallroten Polster, die Kinder dürfen barfüßig auf den vielen Polstern sitzen und nicht auf Sesseln, und vor allem wird durch die Erzählkunst bzw. durch das Fehlen des Bühnenbildes, der Schauspieler und Kostüme die Phantasie der Kinder umso mehr angeregt.

b. Musik

Wir planen die Gründung eines internationalen Kinderchores, der aus Kindern im Alter von acht bis elf Jahren verschiedener Herkunft, Sprache und Kultur zusammengestellt wird und unter der Leitung zweier professioneller Musikpädagogen Kinderlieder aus aller Welt einstudiert. Ziel des Projektes ist, zu konzertanten Aufführungen an verschiedenen Orten für Kinder und Erwachsene zu gelangen. 

•  Filme

Der Filmbereich ist eine Einrichtung des Interkulttheaters, die sich sehr bewährt hat und schon seit vielen Jahren vor allem von Schulklassen intensiv wahrgenommen wird. Gezeigt werden wertvolle Kinderfilme aus verschiedenen Ländern, die einerseits Einblicke in das Leben und Gebräuche anderer Kulturen gewähren, andererseits sind ihre Inhalte spannend, turbulent und lustig.

•  Schattentheater

Gastspiele des türkischen Schattentheaters „Karagöz & Hacivat“ mit simultaner Übersetzung ins Deutsche und anschließendem Workshop, bei dem die Kinder selbst die Figuren basteln, eine eigene Geschichte erfinden und vorspielen und abschließend ihr kleines Schattentheater mit nach Hause nehmen dürfen waren immer eine Sensation und etwas ganz Neues, Fremdes und Wundersames, das es zu entdecken galt.

•  Festivals

Mit themenbezogenen Festivals wie Clownfestival, Schattentheaterfestival oder aber Festivals, bei denen die Kinder selbst auf der Bühne stehen, möchten wir unsere kontinuierliche ganzjährige Arbeit für Kinder abrunden und krönen. Wir denken auch an Kinderschultheatertage für Volksschüler in Zusammenarbeit mit Schulen. 

GESCHLECHTSSPEZIFISCHE ARBEIT 

Gastproduktionen zu geschlechtsspezifischen Themen wie sexuelle Gewalt an Frauen, Missbrauch, Unterdrückung und Diskriminierung der Frauen, ungleiche Behandlung der Frauen am Arbeitsmarkt u. Ä. sind Bestandteile unseres Spielplanes sowohl für Erwachsene wie auch für Jugendliche. Meistens finden anschließend vor allem bei Schulaufführungen für Jugendliche Gespräche und Diskussionen mit den Teilnehmern statt.

SOZIALE MINDERHEITEN

Das Interkulttheater erachtet es ebenfalls als seine Aufgabe, seine Bühne auch sozialen Minderheiten wie Obdachlosen, HIV Positiven, Haftentlassenen, geistig und körperlich Behinderten, Asylanten u.Ä für ihre Aktivitäten zu öffnen.